Auf beiden Seiten des Atlantik wird gerade heftig über Banker und ihre Boni gestritten. Die Volksseele kocht angesichts der Tatsache, dass an Mitarbeiter von staatlich gestützten Banken (UBS, Bank of America, etc.) Boni in Milliardenhöhe ausgeschüttet werden sollen. Die Banken verteidigen sich: Erstens seien diese Zahlungen vertraglich vereinbart, und zweitens hätten ja viele Mitarbeiter auch einen guten Job trotz Finanzkrise gemacht.
Leider wird meiner Meinung nach diese Diskussion auf der falschen Ebene geführt, nämlich wieder mal nur aus einer sehr kurzfristigen Perspektive. Die langfristig eigentlich interessante Frage ist, welche Stellung die Banken in unserer Wirtschaft bisher eingenommen haben und nach diesem Schlamassel einnehmen sollten — und nur danach als Folge daraus, wie die Bankangestellten fair entschädigt werden sollten. Denn dass die Exzesse der letzten Jahre aufhören müssen und werden, ist wohl allen klar.
Zunächst: Die aktuelle Diskussion ist zu stark von Sozialneid beeinflusst. Dass Leute als Belohnung für echten Erfolg aussergewöhnlich viel Geld verdienen, finde ich absolut normal und unterstützenswert. In einer Marktwirtschaft dient das einem wichtigen Zweck, nämlich die talentiertesten Personen zu den wirtschaftlich erfolgreichsten (und damit auch wirtschaftspolitisch wünschenswerten) Tätigkeiten zu steuern.
Gern weisen Banker darauf hin, dass sie zwar viel verdienen, aber auch in der produktivsten Branche arbeiten. Auf den ersten Blick stimmt das sogar. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, aus Daten des Schweizer Bundesamtes für Statistik (BfS) auszurechnen, wie wirtschaftlich “gerecht” das Lohnniveau in verschiedenen Branchen der Schweiz ist.
Die folgende Grafik stellt zwei wesentliche Aussagen gegenüber: Erstens den Anteil der Bruttowertschöpfung verschiedener Branchen an der schweizerischen Gesamtwirtschaft, also das, was die einzelnen Branchen wirklich an nützlicher Leistung produzieren (blaue Balken). Zweitens habe ich den ungefähren Anteil dieser Branchen an der Gesamtlohnsumme eingezeichnet (rote Punkte), berechnet aus dem Medianlohn pro Branche und der Anzahl Vollzeitstellen, die in diesen Wirtschaftssektoren angeboten werden. Die Daten sind von 2006.
Von der Logik her müssten die produktivsten Branchen (also die mit der höchsten Bruttowertschöpfung) auch die höchsten Lohnsummen zahlen. Wie man sofort sieht, ist das nicht der Fall: In der herstellenden Industrie wird scheinbar etwa fair bezahlt, das Baugewerbe oder das Gesundheitswesen zahlen aber eher zu hohe Löhne. Hingegen erscheinen die Mitarbeiter im Kreditgewerbe (also Banken) und der Versicherungswirtschaft relativ gesehen unterbezahlt zu sein. Zwar sind die Durchschnittslöhne in diesen Branchen tatsächlich absolut gesehen am höchsten, aber die Mitarbeiter scheinen pro Kopf auch am meisten Wertschöpfung zu produzieren.
Sind unsere Bankmitarbeiter also eigentlich unterbezahlte Überflieger, die man für ein schlechtes Jahr nicht auch noch durch staaatlich verordneten Bonusverzicht bestrafen sollte?
Im historischen Vergleich scheint sich das zu bestätigen: Die Banken haben ihren Anteil an der wirtschaftlichen Produktion 1994-2006 um etwa 50% gesteigert, aber die Angestellten verdienen “nur” etwa 15% mehr. Umgekehrt hat die herstellende Industrie (und dazu gehört z.B. auch die Chemiebranche) weitgehend stagniert, aber trotzdem nehmen die Mitarbeiter fast 4% mehr nach Hause.
Nun stellt sich aber natürlich die Frage, wie die beeindruckende Wertschöpfung der Banken eigentlich entsteht. Der betrachtete Zeitraum 1994-2006 war mit einem kurzen Unterbruch eine der stärksten Phasen, die die Finanzmärkte je erlebt haben. Wie wirkt sich das auf die Ergebnisse der Banken aus?
Wenn man den Wertschöpfungsanteil der Banken mal einfach so naiv der Börsenentwicklung (in diesem Fall dem Swiss Market Index) gegenüberstellt, zeigt sich ein erstaunliches Muster.
Ganz offensichtlich war die Börse die entscheidende Triebfeder für die so beeindruckend gestiegene Wertschöpfung bei den Banken. Die Statistik unterscheidet nämlich nicht, ob da auch wirklich etwas “produziert” wurde, sondern berücksichtigt ausschliesslich finanzielle Grössen, auch wenn die aus volkswirtschaftlich weniger attraktiven Tätigkeiten wie etwa dem Eigenhandel von Banken stammen.
Schauen wir uns als Beispiel mal an, wie etwa die UBS ihr Geld verdient. Im wesentlichen macht eine moderne Bank aus drei Geschäftstätigkeiten Gewinn:
1) aus dem klassischen Zinsgeschäft, also dem Entgegennehmen von Spargelden und dem Gewähren von Krediten
2) aus Dienstleistungen und Kommissionen, primär im Investmentbanking und der Vermögensverwaltung
3) dem Handelsgeschäft, in dem Banken auf eigene Rechnung an der Börse dealen (also letztlich spekulieren).
Wenn man diese drei Komponenten der Börsenentwicklung gegenüberstellt, zeigt sich ein nicht unerwartetes Muster: Das Handelsgeschäft geht im Gleichschritt mit der Börse hoch und runter. Die UBS reitet da also lediglich die Marktentwicklung, wofür sie als grosse Bank gut positioniert ist. Ähnlich sieht es beim Dienstleistungs- und Kommissionsgeschäft aus, da das klassische Investmentbanking stark von der Aktivität an den Finanzmärkten abhängt.
Und hier kommen wir langsam zum Kern des Problems: Ausgesprochen beunruhigend ist die Tatsache, dass die UBS beispielsweise im guten Börsenjahr 2006 nur gerade knapp 19% ihres Gewinns mit dem klassischen Brot-und-Butter-Zinsgeschäft erwirtschaftet hat. Der Löwenanteil von 81% kam aus den börsennahen Geschäftsbereichen.
Wenn man die Zahlen noch etwas genauer auseinandernimmt, kommt man schnell zum Schluss, dass die UBS — genau wie die meisten anderen Grossbanken — in den letzten Jahren etwa 60% ihrer Gewinne mit Tätigkeiten produziert hat, die man etwas bösartig verkürzend als “Zocken an der Börse” umschreiben könnte. Der volkswirtschaftlich eigentlich primär wünschenswerte Tätigkeitsbereich einer Bank — das klassische Zinsgeschäft — ist in den letzten zwei Dekaden immer mehr zu kurz gekommen.
Die stolz rapportierte “Wertschöpfung” der Banken bestand also zu einem grossen Teil aus weitgehend fiktiven Gewinnen, Resultat immer komplexerer Finanzinstrumente und aufgeblähter Börsenbewertungen. Und eins ist klar: Dass diese grossen Banken, die einst so stabil erschienen, jetzt in so fundamentalen Schwierigkeiten stecken, ist ausschliesslich dieser Tatsache zuzuschreiben. Im Moment werden weltweit hunderte von Milliarden an Steuergeldern investiert, um die wirtschaftlich erwünschten Teile von Institutionen zu retten, die sich schon lange dem puren Casino-Kapitalismus verschrieben haben und damit dramatisch gescheitert sind. Denn leider lassen sich die für die Wirtschaft essentiellen Teile des Bankensystems nicht einfach so aus diesen Gebilden heraustrennen. Offensichtlich ist das alles volkswirtschaftlich absurd, aber bedauerlicherweise wohl unumgänglich.
So gesehen ist die Diskussion um Banker-Boni auch umso befremdlicher. Das Wachstum der Unternehmensergebnisse, mit denen die stattlich gewachsenen Bankerlöhne über viele Jahre hinweg finanziert wurden, stammte keineswegs aus dem “seriösen” traditionellen Geschäft. Sicher, der durchschnittliche Bankmitarbeiter am Schalter hat nie exzessive Vergütungen kassiert. Aber man kann wohl klar sagen, dass es der ganzen Branche dank dieser Finanzblase unverhältnismässig gut ging, nicht nur den Topmanagern und Investmentbank-Gurus. Die Bankbranche hat fast in allen Bereichen über ihre Verhältnisse gelebt.
Darum ist es wirklich unverständlich, wenn jetzt Politiker zulassen, dass staatlich gestützte Banken auch noch Boni ausschütten. Das Gegenteil wäre richtig: Die Banken sollten sich so schnell wie möglich gesundschrumpfen, und das betrifft nicht zuletzt das Vergütungsniveau. Da darf es nicht um Sensibilitäten gehen oder um einzelne Abteilungen, die ja möglicherweise gut gearbeitet haben. Die ganze Branche braucht einen umfassenden Reset, und zwar schnell.
Und zum oft vorgebrachten Argument, dass die besten Leute die betroffenen Banken verlassen würden, wenn sie keinen Bonus bekommen, kann man nur sagen: Hervorragend. Gut so. Denn das ist genau der Zweck von Lohnunterschieden: Die fähigen Leute in die Firmen und Branchen zu ziehen, die gut gemanaged sind und wirklich etwas Substanzhaltiges produzieren. Denn genau so sollte Marktwirtschaft funktionieren.
Treffende Analyse, Andreas! Danke.
Vor Monaten habe ich dem CEO der “neuen Staatsbank” einen Brief geschrieben und ihn gefragt, warum sie Boni zahlen (werden)?
Seine Antwort – musste zwei Mal erfragt werden, obwohl ich da langjähriger Kunde bin: Ein Geschwafel darüber, dass sie immer ehrlich und transparent kommuniziert hätten, die Risikopositionen rasch absorbiert hätten, über die Notwendigkeit von harten Schritten, etc.
Antwort im erwartenden Rahmen: Es ist als ob man Frösche fragt ihren Teich trocken zu legen.
Die aktuell miserable Situation wurde durch eine überzogenen Strategie und ein ungenügendes Risikomanagement erst ermöglicht. Es ist deshalb nicht schlimm wenn Banker gehen. Es ist eine Aussage über ihren Charakter. Es sind ja gerade diese Schönwetter-Banker, die die Bank so tief ins Verderben geritten haben.
Diese hoch bezahlten sogenannten Experten verstehen vom Finanzgeschäft nicht mehr als die im Vergleich bescheiden bezahlten Beamten und Bundesräte. Ergo ist damit die maximale Lohnobergrenze definiert.
Die Banken verdienen Geld mit Geld und tragen wenig ausserhalb des Zinsgeschäfts wenig zu realer Wertschöpfung bei, zerstören aber ganze Volkswirtschaften: Profit ohne Moral.
Vielleicht ist auch noch ein anderer Ansatz interessant. Um mal eine Vorstellung zu geben, wie weit sich das Finanzsystem bereits von der Realwirtschaft entfernt hat.
Volumen der Derivate (habe ich mir aus verschiedenen Quellen zusammen gesucht):
2002 – 141.700 Milliarden Dollar
2003 – 169.700 Milliarden Dollar
2004 – 220 000 Milliarden Dollar
2006 – 451.200 Milliarden Dollar
2007 – 581.100 Milliarden Dollar
2008 – 683.700 Milliarden Dollar
Volumen des Weltbruttoinlandsprodukt:
~ 48.461 Milliarden Dollar
Und wo viel Geld ist, ist auch viel Geld abzugeben. Kennen wir doch alle… Daher die Gehälter in der Branche…
“Die Banken sollten sich so schnell wie möglich gesundschrumpfen, und das betrifft nicht zuletzt das Vergütungsniveau.” Stimme ich voll zu. Hierzu lesenswert: Klick!
“(…) daß man die Bankwirtschaft veranlaßt, ihr bankrottes Altgeschäft vom Neugeschäft zu trennen und aus den Bilanzen heraus zu nehmen. Es wäre auf einen Fonds zu übertragen, aber nicht auf einen Staatsfonds, sondern auf einen aus Eigenmitteln der Banken. Und für dieses „Sondervermögen“ gäbe es dann Bilanzierungshilfen. Die Banken müßten die dort deponierten und eingefrorenen Forderungen und Verpflichtungen nicht mehr zu den an den Stichtagen gültigen Tages- oder Veräußerungswerten bilanzieren und entsprechend wertberichtigen. Sie könnten diese derzeit mehr oder minder wertlosen Aktiva zu ihren Anschaffungswerten ausweisen und über einen längeren Zeitraum, der durchaus 10 bis 20 Jahre betragen kann, abschreiben und tilgen. Im Klartext: Sie müßten ihre selbstverschuldeten Verluste auch selber abarbeiten.”
Noch kurz was:
“60% ihrer Gewinne mit Tätigkeiten produziert hat, die man etwas bösartig verkürzend als “Zocken an der Börse” umschreiben könnte”
Eigentlich klar. Denn immer mehr Geld wird gehortet, (zu erläutern warum, dauert etwas länger) und landet damit im Casino. Ist nur die Frage, wie lange das gut gehen kann….
Zweifellos locken finanzielle Anreize wie leistungsbasierte Bezahlung unterschiedliche Leute zu unterschiedlichen Organisationen. Die Frage ist, zahlen Banken hohe Boni, kommen auch die gewünschten Leute?
Man stelle sich die einfache Frage: wenn du eine lebensbedrohliche Erkrankung hast, welchen Arzt wählst du? (a) einen Arzt, der hauptsächlich den Beruf des Mediziners ergriffen hat, um viel Geld zu verdienen oder (b) einen Arzt, der in diesem Feld tätig ist, weil er sich für Medizin interessiert und den Wunsch hat, Menschen zu helfen?
Lesetipp: Harte Fakten, gefährliche Halbwahrheiten & absoluter Unsinn. Danach brauchen unsere Banker bestimmt keine hohen Boni mehr.
ps: über die letzten 11 Jahre erwirtschaftete die UBS mit Gewinn und Verlust ca. 41 Milliarden. Die Bank war pro Jahr mit knapp 3.8 Milliarden im Plus.
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